Koordination - die Antizipationsfähigkeit trainieren
- Antizipation beschreibt die Fähigkeit, Aktionen des Gegners vorwegzunehmen und darauf mit passenden Reaktionen zu antworten
- eine gute Antizipation hängt davon ab, dass man seinen Gegner lesen kann
- die Antizipationsfähigkeit ergibt sich aus einer geschulten Wahrnehmung und Erfahrungswissen
- eigene Aktionen müssen weitgehend automatisiert sein, damit die volle Aufmerksamkeit auf die aktuelle Spielsituation gelenkt werden kann
Die Antizipationsfähigkeit ist eine koordinative Fähigkeit, die den Sportler in die Lage versetzt, eine kommende Situation zu erahnen beziehungsweise einen bevorstehenden Bewegungsablauf vorwegzunehmen und daraufhin eigene Handlungsmöglichkeiten bereitzustellen. Während bei der Reaktionsschnelligkeit mit automatisierten und damit weitgehend unreflektierten Bewegungsabläufen auf Standardsituationen geantwortet wird, eröffnet eine gute Antizipationsfähigkeit ein kleines Zeitfenster, in dem Aktionen geplant ablaufen können, wobei die Handlungsmöglichkeiten, die sich daraus ergeben, wiederum standardisiert sein können.
Die Antizipation hängt wesentlich von der Wahrnehmung der Taktik des Gegners ab, seiner Stärken, seiner Schwächen, seiner Vorlieben sowie bei Mannschaftssportarten der Eigenheiten der gerade an der Situation beteiligten Mitspieler. Beim "Lesen" des Gegners hilft eine umfangreiche Spielerfahrung, die im Wettkampf und in Trainingssimulationen gewonnen wird.
Zur Antizipationsfähigkeit gehört ein gutes Abstraktionsvermögen, mit dem der Sportler Muster im gegnerischen Verhalten erkennt, um diese dann in Form von taktischen Zügen oder aber Finten und Täuschungen, mit denen er falsche Reaktionen herausfordert, gegen ihn zu verwenden.
Wahrnehmung und Erfahrung
Ohne eine gute Antizipation verlängert sich die Zeit für angemessene Aktionen auf eine aktuelle Situation, was es dem Gegner ermöglicht, seinen Spielzug durchzusetzen oder aber seinerseits die Initiative für weitere Handlungen zu ergreifen. Wer hingegen ahnt, was der Gegner oder aber sein Mitspieler im Schilde führen, kann daraus unschätzbare Vorteile ziehen.
Gerade bei Mannschaftssportarten gehen Antizipationsfähigkeit und Orientierungsfähigkeit Hand in Hand. Ein Spieler, der sich in den raum-zeitlichen Gegebenheiten einer Spielsituation zurechtfindet und mögliche Veränderungen vorausahnt, weiß, was er mit dem Ball anfangen wird, bevor er überhaupt angespielt wird. Er passt sein Stellungsspiel der Flugbahn des Balls an und hat bereits die nächste Spielstation ausgemacht.
Mit einer guten Wahrnehmung kann ein Sportler Schlüsse aus dem Verhalten des Gegners ziehen. Er richtet sie zielgerichtet auf akustische und visuelle Signale, die etwas über die Handlungsabsichten seines Gegenübers aussagen. Voraussetzung für solch eine Fokussierung ist, dass die eigenen Bewegungsabläufe so weit automatisiert sind, dass sie selbst keine oder nur wenig Aufmerksamkeit erfordern. Wer zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist, kann nicht einigermaßen zuverlässig Muster oder Veränderungen im Verhalten des Gegners erkennen.
Antizipation ist die fortlaufende Auseinandersetzung mit den Aktionen des Gegners. Veränderungen in einem bereits erkannten Muster werden mit Anpassungen und neuen Strategien beantwortet, weswegen hier auch die Umstellungsfähigkeit zum Tragen kommt. Diese zeitnah zu erkennen erfordert, dass sich praktisch alle Aufmerksamkeit vom eigenen Tun auf den Gegner und die jeweilige Spiel- und Kampfsituation richtet. Übungen zur Verbesserung der Antizipationsfähigkeit zielen daher auf die Aufnahme und zügige Informationsverarbeitung eines Sportlers.
Übungen zum Training der Antizipationsfähigkeit
Übungen zur Schulung der Antizipationsfähigkeit setzen den Fokus auf die Erfassung der Situation. Als Einzelübung kann ein Ball in die Luft geworfen werden, wobei der Werfer die Augen schließt und möglichst exakt den Zeitpunkt erahnen muss, wann der Ball auf dem Boden aufspringt.
Bei einer weiteren Übung dribbelt oder prellt ein Spieler durch den Raum und bekommt währenddessen Wahrnehmungsaufgaben wie das Identifizieren eines Mitspielers gestellt. Dieselbe Übung kann auch mit mehreren Mitspielern auf engem Raum durchgeführt werden, wobei es darauf ankommt, nicht zusammenzustoßen.
Bei einer Gruppenübung verteilen sich etwa fünf Mitspieler im Raum. Ein sechster muss auf Zuruf des Namens möglichst schnell zu dem betreffenden Spieler hinrennen. Der Zuruf erfolgt kurz vor Abschluss der vorangegangenen Aktion. Erschwert wird die Aufgabe, wenn sich die Mitspieler unorganisiert im Raum bewegen.
Neben simulierten Trainingssituationen verbessert vor allem das Erfahrungswissen, das in Wettkämpfen und in der Konfrontation mit neuen Trainingspartnern gewonnen wird, die Antizipationsfähigkeit.